Mein Narzissmus, meine Schuld, meine Heilung und ich

and when nobody wakes you up in the morning, and when nobody waits for you at night, and when you can do whatever you want. what do you call it, freedom or loneliness?

Charles Bukowski

Ein Jahr ohne Beziehung. Ein Jahr ohne romantische Umarmung. Ein Jahr ohne Kuss. Ohne Kuscheln. Ohne Intimität. Ohne Sex. Ohne Date (*). Ohne Dating App. Ein Jahr allein. Seit meiner Jugend war ich – mit kurzen Unterbrechungen – fast ständig in Beziehungen, es gab, seitdem ich 15 Jahre alt war, keine Phase in meinem Leben, in der ich länger als ein paar Monate ohne Freundin oder ohne intime Kontakte war.

Ein Jahr allein, ein Jahr mit mir selbst. Ich vermisse vieles. Jedoch halte ich es aus, anders als zuvor. Denn ich habe mich gefunden und für mich selbst entdeckt, was ich wert bin.

Ich

Guten Tag, mein Name ist Björn und ich bin Narzisst. Also nicht im Sinne von “Haha, ich poste gern Selfies auf Instagram und gucke ständig selbstverliebt in den Spiegel”. Nein, ich habe die tatsächliche Persönlichkeitsstörung. Wie es bei Persönlichkeitsstörungen meistens ist, liegt der Grund dafür in meiner Kindheit. Den als Kind von mir empfundenen Mangel an Aufmerksamkeit, Zuneigung und Raum für meine Bedürfnisse habe ich früh gelernt, unbewusst zu kompensieren und mich so vor Schmerz, Zurückweisung und anderen negativen Empfindungen zu schützen. Ich wurde als Kind nicht für die Person wahrgenommen und akzeptiert, die ich war. Beachtung und Bestätigung bekam ich lediglich für meine Talente geschenkt, für Außergewöhnliches. Das alles und noch viel mehr habe ich in den letzten drei Jahren über mich gelernt. Es ist komplex, es ist kompliziert und es passt nicht mal ansatzweise alles in diesen Text.

Ich habe mich – bis vor etwa drei Jahren – nie hinterfragt, warum ich der Mensch war, der ich war.

Auf der einen Seite der Mann, der (von außen betrachtet und von mir nahezu perfekt dargestellt) mit Selbstbewusstsein, Charme, Intelligenz, Witz, Gesten, Worten und Attraktivität in der Lage war, Menschen, vor allem Frauen für sich zu gewinnen und ihre Bewunderung, Aufmerksamkeit und Bestätigung zu erhalten. Der scheinbar immer souverän, selbstsicher und empathisch in Gesprächen auftrat.

Auf der anderen Seite hielt ich, ohne es zu merken, immer eine Mauer intakt. Niemand durfte mir emotional zu nahe kommen, meine Schwächen durften nicht zutage treten. Kompromisse mussten, wenn es drauf ankommt, die anderen machen, speziell in Partnerschaften. Ich bin zwischenmenschlich verbindenden (Bonding-)Momenten aus dem Weg gegangen, aus Angst, verletzlich und angreifbar zu sein. Ich hatte nie einen richtig engen, besten Freund, niemanden, dem oder der ich wirklich alles sagen konnte bzw. wollte.

In meinen Partnerschaften hat sich der Narzissmus, ohne dass ich es jemals erkannt habe, zusätzlich dadurch gezeigt, dass ich immer dann, wenn ich etwas haben wollte, ich also etwas als mein vermeintliches Anrecht betrachtete, das mir jemand anderes zu erfüllen hat, oft rücksichtslos die Menschen, die ich brauchte, um das zu bekommen, benutzt, manipuliert, belogen und betrogen habe. “Ich bin eben so.” “Ich will, was ich will.” “Ich.” “Ich.” “Ich.” Kompromisse machte ich nur dort, wo es mir nicht wirklich wichtig war oder ich stimmte ihm nur zu, hielt mich aber nicht daran. Ich habe eingefordert, was ich glaubte zu wollen. Ich habe mir genommen, was ich glaubte zu brauchen. Und wer mich nicht so akzeptierte, wie ich bin, mir nicht gab, was ich wollte, hatte Pech gehabt. Ich war jederzeit in der Lage, mir jemanden zu suchen, die mir das erfüllen kann, was ich vermeintlich verdiene.

K.

Im Frühjahr 2013 hatte ich eine dreijährige Beziehung beendet und ein paar Monate lang mit verschiedenen Frauen Sex – immer, wenn mir danach war. Mir war oft danach. Ich mochte es, begehrt zu werden und ich hatte gern Sex. Aber ich erkannte auch, dass es mir nicht reicht. Sex schön und gut, aber ich wollte auch Nähe spüren, Intimität, Vertrautheit. Viel tiefer gingen meine Gedanken nicht. Ich dachte zu dem Zeitpunkt nur, dass ich so nicht weitermachen wollte: Ich wollte nicht mehr in “anstrengenden” Beziehungen sein, ich wollte nicht mehr betrügen und ich wollte auch keinen Sex ohne Gefühle mehr haben.

Ich habe K. im Spätsommer 2013 kennengelernt. Das erste Treffen begann als Twitter-Bekannte, die sich zum Radler trinken verabredet hatten – und statt zwei Stunden plötzlich fast 12 Stunden lang redeten, bis es wieder hell wurde. Das zweite Treffen endete im ersten gemeinsam verbrachten Wochenende. Ich wusste anfangs nicht, was ich genau möchte. Ich wusste nach wie vor nur, was ich nicht will. Mit jedem Tag fühlte ich mich wohler. Aus Tagen wurden Wochen und Monate. Wir harmonierten, es fühlte sich gut an, organisch. Es war einfach. Sie ist intelligent, witzig, kreativ, neugierig, talentiert, freundlich, organisiert, ehrgeizig, fokussiert, unabhängig, kompromissbereit, mitfühlend, nachgiebig, schön. Sie teilt meinen Geschmack in vielen Dingen. Wir unternahmen viel, wir verreisten viel, wir fanden uns anziehend. Wir teilten uns Aufgaben, wir ergänzten uns. Wir passten einfach gut zusammen. Ich hatte in ihr einen Menschen gefunden, bei dem ich das erste Mal in meinem Leben keine Exit-Strategie mehr hatte. Ich war mit ihr, um zu bleiben. Ich wollte sie, ich wollte uns.

Ich habe sie immer wieder betrogen. Jahrelang. Mit verschiedenen Frauen.

Unsere (erste) Trennung 2019 ging von mir aus. Ich wollte mehr, ich betrachtete es als mein Anrecht, mehr zu bekommen, als sie bereit war mir zu geben. Ich forderte, ich drängte. Sie sollte mich so nehmen, wie ich bin und mir geben, was ich will. Ich gab ihr das Gefühl, nicht genug zu sein. Es ging nur um mich. Quasi noch am Tag der Trennung wusste ich, dass ich nicht von ihr getrennt sein möchte. Ich erkannte wie schon ein paar Jahre zuvor, dass ich nicht mehr so sein möchte, nicht mehr so weitermachen will. Viel mehr erkannte ich nicht.

Sie war es, die mich dazu ermutigte, eine Therapie zu machen. Sie war es, die mich weiterhin unterstützt hat, auch nachdem sie vom jahrelangen Lügen, von den Manipulationen und vom Betrügen erfahren hatte. Erst in Freundschaft, etwas später wieder als Partnerin. Für sie wollte ich ein besserer Mensch werden, für sie wollte ich die Therapie machen, für sie und für unsere Beziehung. Und mit dieser Motivation habe ich die Therapie begonnen. Ich betrachtete es anfangs wie ein Trainingslager: In jeder Sitzung würde ich ein Problem durchsprechen, es verstehen, daran arbeiten und es abhaken – eines nach dem anderen. Am Ende bin ich automatisch ein besserer Mensch und ich habe die Beziehung mit meinem Menschen gerettet.

Spoiler Alert: So funktionieren Therapien nicht und die Motivation dahinter ist auch die falsche.

40

You know nothing, Jon Snow.

Ygritte

Die Therapie zu beginnen, ganz unabhängig von meiner Ahnungslosigkeit, war eine der besten Entscheidungen meines Lebens. Wenige Wochen vor meiner ersten Therapiesitzung war ich 40 geworden. Heute weiß ich, dass ich an meinem 40. Geburtstag keine Ahnung hatte, wer ich bin, warum ich so bin, wie man fühlt, wie sich Gefühle und Empfindungen körperlich äußern, wie man sich und seine Bedürfnisse erkennt, wie man rücksichtsvoll mit sich selbst umgeht, wie man sich selbst liebt, wie man mit anderen Menschen mitfühlt.

Ich war 40 Jahre alt, ich fühlte mich depressiv, ich wusste nichts und ich wusste nicht, dass ich nichts wusste.

Nicht lange nach dem Beginn der Therapie zu erfahren, dass ich die narzisstische Störung habe, hat mich tief getroffen. Ich bin in ein tiefes Loch gefallen. Ich las über die Störung, ich schaute Videos, ich hörte Podcasts. Und das, was ich erfuhr, war niederschmetternd und gleichzeitig unfassbar augenöffnend. Es war, als würden diese Artikel, Berichte, Interviews, Podcasts über mich reden, als kannten sie meine innersten, selbst mir unbekannten Gedanken, Gefühle und Erinnerungen. Und es wurde noch schlimmer: Überall las ich, dass diese Störung nicht heilbar ist. Kein Gips, keine Reha, keine Medikamente können Narzissmus wegmachen. Oft wurde gesagt, dass Partner:innen von Narzissten sich trennen sollen, weil sie sonst zerbrechen und es unerträglich wird.

Ich dachte kurz daran, aber ich gab nicht auf. Ich akzeptierte die Diagnose und machte weiter. Es war ein wenig wie “Challenge accepted”. Ein Teil in mir wollte nun beweisen, dass diese Leute unrecht hatten. Und meine Beziehung wollte ich weiterhin retten.

K. zog aus. Ich blieb in unserer Wohnung und ging weiter zur Therapie. Wir versuchten es erneut. Sie versuchte es erneut. Und gemeinsam gingen wir zu einer Paarberatung. Aber mein Willen, meine Motivation, es für die Beziehung zu schaffen, waren nicht genug. Ich wusste es nicht, aber ich war nicht so weit. Die vielen bis dahin noch unentdeckten Puzzleteile, meine immer wieder alles dominierenden Impulse und das permanente Abladen meiner Bedürfnisse auf ihre Schultern waren zu viel. Ich war nach wie vor fordernd, drängend, einnehmend, viel zu oft nur auf mich und meine vermeintlichen Bedürfnisse fokussiert. Ich wurde getrieben und kontrolliert durch mein inneres Kind. Sie trennte sich.

Das ist jetzt ein Jahr her.

Fake it till you make it

Und so stand ich da, wollte uns und die Beziehung immer noch nicht aufgeben. Und immer noch hatte ich es nicht kapiert. Ich wollte uns retten, aber ich war nicht mal in der Lage, mich selbst zu retten. Ich hielt mich selbst nicht aus, konnte kaum mit mir, sowie meinen Gedanken und Gefühlen allein sein. Ich konnte mir selbst keine Freude schenken, mich nicht selbst zufrieden machen. Ich hatte keine Nachsicht mit mir, kein Einfühlungsvermögen für mich selbst. Und nichts davon hatte ich zu diesem Zeitpunkt überhaupt erkannt.

Es passierte nicht von heute auf morgen. Und nicht kontinuierlich. Es begann mit viel Aktionismus. Hier allein wandern, da allein in eine Ausstellung, dort allein spazieren gehen. Fake it till you make it. Die nächste Ausstellung allein. Der nächste Spaziergang. Mit einem Freund essen gehen. Eine Radtour machen. Eine Freundin zum Kochen einladen. Mit Freunden Skat spielen. Kino. Mehr Kino. Sport. Mehr Sport. Viel mehr Sport. Allein ins Museum. Ich habe minutiös meine Freizeit geplant und mit Aktivitäten befüllt. Anfangs als Eskapismus, dann Stück für Stück immer mehr, weil es gut war, weil es mir gut tat. Ich habe immer wieder in mich hineingehört: Wie geht es mir gerade? Ja, klar, mit ihr wäre es hier schöner. Aber habe ich nicht vielleicht auch gerade etwas Freude allein? Macht es nicht vielleicht auch allein ein wenig Spaß? Es kam schleichend. Aber das gute Gefühl blieb. Ich musste immer weniger faken, es kam immer mehr tatsächliches Interesse. Die Struktur tat mir gut. Die Routinen gaben mir Halt. Die Impulse ließen in ihrer Intensität nach, es wurde immer leichter, sie wohlwollend wahrzunehmen und auszuhalten. Die Tiefs kamen seltener. Ich war kaum noch einsam, obwohl ich oft allein war. Ich wurde stärker. Ich wuchs. Ich heilte. Ich hielt mich.

Es war der größte Durchbruch. Das erste Mal in meinem Leben tat ich es hauptsächlich für mich. Ich war gut zu mir und es tat mir gut.

Ich verbrachte mehr Zeit mit Freunden, ich verlor die Angst davor, ihnen zu viel zu sein, von ihnen zurückgewiesen zu werden, nicht ich selbst sein zu können. Ich empfinde viel Dankbarkeit für die Menschen, mit denen ich speziell innerhalb des vergangenen Jahres eine vertraute zwischenmenschliche Beziehung aufbauen bzw. halten konnte. Ich lerne, dass Freundschaften nicht transaktional sind, dass es ein Geben und Nehmen ist, ohne Erwartung einer Gegenleistung. Ich lerne, dass ich keine Angst vor Zurückweisung haben muss, wenn ich den freundschaftlichen Kontakt suche. Ich lerne, dass mich Freund:innen nicht vergessen, nur weil wir gerade keinen Kontakt haben. Ich lerne, mich nicht zurückgewiesen zu fühlen, wenn jemand keine Zeit für mich hat. Ich lerne, dass Freund:innen mich und meine Freundschaft schätzen, dass sie gern Zeit mit mir verbringen, dass sie mich mögen.

Fühlen

Innerhalb des letzten Jahres habe ich erkannt und verstanden, dass ich in den vergangenen ca. 20 Jahren viele lebensverändernde Entscheidungen nicht als rational denkender und bewusst fühlender Erwachsener getroffen habe, sondern sie unbewusst bestimmt waren durch mein inneres Kind und seine Bedürfnisse und Impulse. Jahrzehntelang hat mein inneres Kind, das damals nicht genug Aufmerksamkeit, Bestätigung, Zuneigung und Raum bekommen hat, mein Leben als Erwachsener dominiert. Ich habe diese Aufmerksamkeit, Bestätigung und den Raum eingefordert, ohne Rücksicht auf andere Menschen. Ich habe, diesen Impulsen folgend, Beziehungen beendet und begonnen, sowie innerhalb von Beziehungen betrogen. Ich habe ausschließlich “im Außen” gesucht und war davon abhängig, bis hin zur Obsession, dass andere Personen mir ihre Aufmerksamkeit schenken müssen, mich priorisieren, mir alle meine Bedürfnisse erfüllen. Immer, wenn ich es brauche.

Ich habe diese Impulse und Obsessionen erst wirklich erkannt und verstanden, als mir durch die Trennung meine Bezugsperson entzogen wurde und ich mich aktiv dafür entschieden habe, diese Leere und den Schmerz nicht durch beliebigen und austauschbaren Ersatz zu betäuben. Im Moment des Entzugs lüftete sich der Schleier und ich konnte es zum ersten Mal klar erkennen.

your immediate reaction does not tell you who you are, it is how you decide to respond after the reaction that gives you real insight into how much you have grown.

your first reaction is your past,
your intentional response is your present

yung pueblo

Was blieb, war ich – und wie ich gelernt habe, meine Bedürfnisse, meinen Schmerz, meine Einsamkeit, die Leere bewusst wahrzunehmen, sie zuzulassen, sie zu verstehen, sie auszuhalten und erst dann bewusst zu entscheiden, wie ich damit umgehe. Hatte bis zu diesem Punkt in meinem Leben mein inneres Kind und seine Impulse meist die Kontrolle über meine Handlungen, war dies der Moment, in dem ich wirklich die Kontrolle übernommen habe. Ich konnte fühlen, wenn die narzisstischen Impulse aufkommen, ich verstand besser, was sie für körperliche Reaktionen auslösen, ich konnte erkennen, wie ich zuvor auf sie reagiert habe und ich, der erwachsene Mensch, war nun in der Lage, mich bewusst zu entscheiden, wie ich mit diesen Impulsen umgehen würde.

Es ist für mich bis heute keine Selbstverständlichkeit, in mich hineinzufühlen bzw. die Gefühle zuzulassen und sie nicht zu unterdrücken. Ich falle nach wie vor oft zurück ins Analytische, ins Beschreiben meiner Gedanken, ins Logische. Das fällt mir leicht. Mir fehlt an vielen Stellen das Vokabular für Empfindungen und Gefühle. Ich lerne weiterhin schrittweise, mich zu öffnen. Und ich lerne, wie sich Gefühle wie Einsamkeit, Kränkung, Eifersucht, Angst, Dankbarkeit oder Liebe körperlich äußern. Empathie kann ich nur lernen, wenn ich mich und meine eigenen Gefühle erkenne.

Nie wieder

Mir ist erst im Nachhinein wirklich bewusst geworden, wie unbefriedigend es für mich so oft war, kurzfristige Bestätigung, kurzfristige (sexuelle) Befriedigung und kurzfristige Aufmerksamkeit von für mich mehr oder weniger austauschbaren Frauen zu erhalten, die ich unbewusst wie Objekte benutzte. Nicht selten habe ich währenddessen gespürt, aber unterdrückt, dass ich mich gar nicht wohl fühle mit dem, was ich gerade tue, dass es mir nichts bringt.

Ich bin fertig damit. Ich werde so etwas nie wieder tun.

Und ich werde weiter daran arbeiten, diese Entscheidung nachträglich nicht nur für mich selbst, sondern auch aus Rücksicht, aus Empathie gegenüber den involvierten Personen getroffen zu haben. Nie wieder werde ich innerhalb einer Partnerschaft betrügen. Nie wieder werde ich Frauen zur Befriedigung meiner narzisstischen Bedürfnisse benutzen.

Verantwortung

Ich kann nicht ungeschehen machen, was ich getan habe. Ich kann den Schaden, den ich durch das Betrügen, Belügen und Manipulieren angerichtet habe, nicht verschwinden lassen. Ich kann nicht annähernd angemessen nachfühlen, welchen Schaden ich angerichtet habe. Ich kann nur Verantwortung übernehmen, mich dem stellen, was ich getan habe, versuchen nachzufühlen und für mich die Konsequenzen aus allem ziehen. Ich verstecke mich nicht hinter meiner Störung, hinter meinem inneren Kind, hinter meiner Kindheit. Ich habe betrogen und manipuliert. Ich bin verantwortlich.

Ich werde niemals kein Narzisst sein, es ist nicht heilbar. Und dennoch heile ich. Ich habe verstanden und akzeptiert, dass ich immer narzisstische Impulse haben werde. Das ist ok. Es ist ein Teil von mir. Es wird immer wieder Momente geben, in denen ich die narzisstischen Bedürfnisse meines inneren Kindes spüren werde. Ich habe verstanden, dass Heilung bedeuten kann, mit der Störung bewusst umzugehen, sich nicht davon steuern und treiben zu lassen.

Realität

Ich habe meinen Menschen verloren und konnte meine Beziehung nicht retten. Ich werde sie und uns für immer vermissen. Und darüber werde ich immer traurig sein.

Ich bin noch nicht bereit, mich von der Beziehung zu verabschieden. Ich bin noch nicht bereit für Akzeptanz, ich akzeptiere diese eine Realität nicht. Es gibt keinen Anlass zur Hoffnung, trotzdem hoffe ich noch immer. Auch meine Freunde konnten mich bisher nicht von der Realität überzeugen. Ich bin nicht bereit loszulassen. Und das ist ok. Ich halte es aus. Ich weiß noch nicht, wann der Moment kommt, an dem ich loslassen werde, ob morgen, in drei Monaten, in einem Jahr, in fünf Jahren, ob er überhaupt kommen wird. Ich weiß nicht, wie der Moment sich anfühlen wird, was ihn auslösen wird, was danach kommt. Ich weiß nur, dass ich mittlerweile stark genug bin. Ich werde daran nicht zerbrechen.

Danach

Seit einem Jahr bin ich allein, ohne Partnerin, ohne Intimität, ohne körperliche Nähe. Ich vermisse es. Sie. Aber ich halte es aus und es geht mir gut. Allein sein, keine Partnerin haben, keinen Sex haben, ist für mich keine Bedrohung mehr.

In wenigen Wochen werde ich meine Therapie beenden, nach etwa drei Jahren und etwa 120 Sitzungen. Die Therapie war mein wichtigster Anker über mehr als zwei Jahre, der Fixpunkt jeder Woche, ständiger Begleiter in meinem Alltag. Innerhalb des vergangenen Jahres ist die Dringlichkeit Schritt für Schritt kleiner geworden. Ich habe immer besser gelernt, selbst zu schwimmen und musste mich nicht mehr ständig am Rettungsring festhalten. Ich bin stolz darauf und ich bin stolz auf mich. Der Abschied von der Therapie, das Loslassen dieser zwischenmenschlichen Beziehung wird dennoch schwer sein. Ich habe noch viel zu lernen, vermutlich dann allein. Ich bin darauf vorbereitet. Ich bin mittlerweile auch stark genug dafür.